Einleitung
Am 30.12.2020 wurde eine Person in der Nähe der «Elsi» (ein besetzter Häuserkomplex an der Elsässerstrasse 128-132, Basel) von der Polizei kontrolliert. Während einer Fahrzeugkontrolle in der naheliegenden Lichtstrasse habe, gemäss Aussage vor Gericht, der Polizist Gefreiter Zimmermann die Person zufälligerweise aus dem Torbogen herauskommen sehen, woraufhin sein Vorgesetzter kurzerhand eine Personenkontrolle angeordnet habe. Eineinhalb Jahre später am 04.04.2022 wurde die Person wegen Hausfriedensbruch vor Gericht schuldig gesprochen. Im gleichen Zeitraum wurde eine zweite Person kontrolliert, ihr wird ebenfalls Haufriedensbruch vorgeworfen.
Der folgende Text zeigt sowohl eine rechtliche als auch eine revolutionäre Perspektive auf die Kontrollen und auf die Elsi als Hausbesetzung selbst auf.
Rechtliche Perspektive
Hausfriedensbruch gemäss Art. 186 StGB begeht wer «gegen den Willen des Berechtigten in ein Haus, in eine Wohnung, in einen abgeschlossenen Raum eines Hauses oder in einen unmittelbar zu einem Hause gehörenden umfriedeten Platz, Hof oder Garten oder in einen Werkplatz unrechtmässig eindringt oder, trotz der Aufforderung eines Berechtigten, sich zu entfernen, darin verweilt».
In vorliegendem Fall wird von dem Gefreiten Zimmermann behauptet, er hätte die beschuldigte Person aus dem Torbogen herauskommen sehen. Vor Gericht erinnert sich Herr Zimmermann weder an den Tag der Personenkontrolle, noch an das Datum, das Jahr oder an genauere Umstände. Er gibt zu, dass der kurze, sechszeilige Polizeirapport – welcher er vor dem Gerichtstermin nochmals kurz gelesen habe – die einzige Grundlage seiner Aussagen sei. Trotzdem behauptet Zimmermann, er würde sich frei daran erinnern (steht nicht im Rapport), den Hauseingang mehrere Minuten nicht aus den Augen gelassen zu haben. Dies ist wohl kaum glaubwürdig, wenn er sich nicht mal mehr an die Fassade des Hauses, noch an das Jahr der Kontrolle zu erinnern vermag.
Stellen wir uns mit viel Fantasie vor, Zimmermann erinnert sich dennoch korrekt: Für einen Schuldspruch bräuchte es immer noch einen Vorsatz der beschuldigten Person. Hausfriedensbruch gibt es nicht als Fahrlässigkeitstatbestand. Ein Vorsatz ist nur dann gegeben, wenn die Person willentlich und wissentlich das Delikt begeht. Je nachdem genügt auch ein Eventualvorsatz, sprich dass die Person es für möglich hält, dass ihre Handlung eine Straftat erfüllt und diese Eventualität in Kauf nimmt. Richter Roland Strauss hat in diesem Fall einen Eventualvorsatz bejaht.
Dies ist schwer nachvollziehbar: Hätte die Person den Torbogen tatsächlich kurz betreten, kann wohl kaum davon ausgegangen werden, dass sie in diesem Moment eine Straftat zu begehen in Kauf genommen hat. Äusserlich waren die Häuser nicht eindeutig als besetzt erkenntlich, bemalte Fassaden sind heute auch bei «legalen» Liegenschaften keine Seltenheit mehr. Dem Eventualvorsatz gemäss wäre aber die Erwartung an jede Person nicht nur das Wissen um die Besetzung der Häuser, sondern auch um den Kontakt der Besetzer*innen mit der Eigentümerschaft. Dieser ist in diesem Fall nicht vorhanden, wobei es aber in vielen Besetzungen eine Abmachung mit der Eigentümerschaft gibt. Strauss verlangt also, dass jede Person sich genau informieren müsste, was die Geschichte und die aktuelle Situation der Elsi (oder jeglicher Liegenschaft) ist, bevor sie schon nur deren Eingangsbereich betritt.
Ein Blick zurück zum Art. 186 StGB : «…oder in einen unmittelbar zu einem Hause gehörenden umfriedeten Platz, Hof oder Garten oder in einen Werkplatz…». Der Bereich beim Torbogen ist weder klar eingegrenzt noch abgeschlossen. Es hält sich lediglich um einen leicht erhöhten Boden und die eigentliche Eingangstüre zur Besetzung kommt erst paar Meter später. Auch eine Umfriedung ist zu verneinen, da keine Absperrung aufzeigt, dass der freie Zutritt verwehrt ist. Die sogenannte Schutzwehr wäre nicht einschlägig. Würde der Argumentation von Strauss gefolgt werden, dann wäre jedes Verweilen auf einer Treppe vor einem fremden Haus oder jedes Anzünden einer Zigarette in einem überdachten Hauseingang ein Hausfriedensbruch. Wohl kaum schlüssig.
In diesem Fall ist weder ein objektiver (keine Erfüllung der genannten Voraussetzungen für den Hausfriedensbruch) noch ein subjektiver (aufgrund Willens- und Wissensmängel) Tatbestand gegeben. Ein Freispruch wäre die einzig logische und rechtlich korrekte Folge.
Das Urteil wurde vor das Appellationsgericht weitergezogen und es ist zu erwarten, dass die Person freigesprochen wird und nicht noch ein weiteres politisches und willkürliches Urteil erfolgt.
Es soll ein dem geltenden Recht entsprechender und somit korrekter Freispruch folgen und nicht wie bei Herr Roland Strauss einer politischen Linie gefolgt werden (in seinem Fall die der FDP: siehe Motion von Olivier Feller zur Lockerung der Anwendbarkeit des Besitzesschutzes gemäss Art. 926 ZGB).
Revolutionäre Perspektive
Nun muss noch ein Schritt weitergegangen werden. Aus revolutionärer Perspektive ist dieses Urteil nicht nur hinfällig, es wäre gar nie zu einer Kontrolle und zu einem Prozess gekommen. Im Schweizer Rechtsstaat wird das Eigentum höher gewertet, als dass Menschen ein Dach über dem Kopf haben oder ein kollektives Leben führen können. Es stehen etliche Häuser leer in Basel, es werden ununterbrochen noch bewohnbare Altbauten durch Bonzenwohnungen ersetzt, Massenkündigungen werden ohne Wimpernzucken ausgesprochen, Einsprachen werden niedergeschmettert. Es ist deutlich von wem die Gesetze gemacht werden, wen und was sie schützen: Die Reichen und das Kapital. Wer Geld hat, kann dieses dank Gesetzen und Gerichten bewahren und endlos vermehren. Es wird in Aktien gesteckt und in Immobilien investiert: Immobilien zählen als eine der besten Wertanlagen. Dies gilt sowohl für private Immobilienfirmen (wie bei der Elsi die Areion Management AG), als auch für renditeorientierte Grossunternehmen (wie die Credit Suisse, UBS oder die Pensionskasse Basel-Stadt, welche knapp 30 Prozent aller Wohnungen in Basel besitzen).
Die monatliche Miete der Bewohnenden fliesst direkt auf das Bankkonto der Eigentümer*innen. Die Mietpreise steigen rasant, seit 2005 sind sie um 20% gestiegen. Das steht in keinem Verhältnis zu dem Einkommen der Mieter*innen.
Es ist nur natürlich, dass leerer Wohnraum daher genutzt und Luxusneubauten verhindert werden müssen. Die Elsi wurde aus diesem Grund besetzt. Trotz der Polizei, welche auch nur die Interessen der Reichen bewahrt, konnten die Häuser schlussendlich behalten und selbstverwaltet belebt werden. Ein neuer Bonzenblock im St.Johann wurde verhindert. Doch nun hat sich die Areion Management AG einen neuen Weg gesucht. Den gerichtlichen Weg. So hat sie mal schnell die teure, renommierte Kanzlei Kellerhals Carrard aufs Spielbrett eingeladen. Wohlbewusst, dass auf deren Einfluss gezählt werden kann.
Mit etlichen Mails haben daraufhin die Advokat*innen von Kellerhals Carrard bei der Kriminalpolizei Druck aufgebaut und sogar mit einer Aufsichtsbeschwerde gedroht. Im September 2020 trafen sie sich schlussendlich zu einem persönlichen Gespräch mit Beat Loosli vom Justiz- und Sicherheitsdepartement. Zwei Monate später wurde die erste Person vor der Elsi kontrolliert, im gleichen Zeitraum eine zweite Person (bei der zweiten steht das Hauptverfahren noch an). Die zweite Kontrolle stand unter der Leitung von Kommandant Beat Loosli. Nur ein Zufall?
Es wurde Druck ausgeübt von Seiten der Reichen und die Marionetten das Staats haben gehandelt.
Daher fertig mit diesem heuchlerischen, das Kapital beschützenden Rechtssystem. Es braucht eine kollektive, basisdemokratische Alternative, bei der von unten nach oben und nicht von oben nach unten bestimmt wird. Der Rechtsstaat muss somit aus revolutionärer Perspektive aufgelöst werden. Das geltende Rechtssystem in der Schweiz ist nur dazu da, die Reichen noch reicher zu machen und deren Interessen zu bewahren. Hauseigentum ist nur eines der vielen Beispiele. Solange der Rechtsstaat weiterbesteht, werden die Unterdrückungsverhältnisse nie enden.
Fazit
Die kontrollierte Person soll aus rechtlicher Perspektive in nächster Instanz umgehend freigesprochen, bei der zweiten Person sollte das Verfahren eingestellt werden.
Aus revolutionärer Sich müssen Grosseigentümer*innen enteignet und die Häuser denen, die drin wohnen zur Selbstverwaltung übergeben werden. Den kapitalistischen und patriarchalen Rechtsstaat gilt es zu überwinden, damit autonome und selbstverwaltete Strukturen entstehen können. Die Elsi ist ein lebendes Beispiel einer kollektiven, selbstverwalteten Alternative. Diese gilt es zu verteidigen. Seit gestern hängt die Baupublikation der Areion Management AG an der Fassade der Elsi. Doch so schnell wird nicht aufgegeben. Basel braucht Freiräume und kollektive Wohnorte wie die Elsi.
Auf eine selbstbestimmte Zukunft und auf dass die Gerichte brennen. Elsi lebt, Elsi bleibt!